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Die unangenehmen Fragen: Interview mit Pascal Wirth, Geschäftsführer der Nachlasspartner AG

Der Schritt in Selbstständigkeit mitten in der Corona-Krise? Der 44-jährige Anwalt und Rechtsberater Pascal Wirth hat es gewagt. Am 1. April startete er mit der Nachlasspartner AG. Im Interview spricht er über die plötzliche Aktualität der Frage: Was muss ich noch regeln?

Pascal Wirth

Herr Wirth, Sie haben sich mitten im Corona-Lockdown selbstständig gemacht. Haben Sie sich das gut überlegt?

Ich nahm zwar erst am 1. April die operative Tätigkeit auf, aber die Vorbereitungen liefen schon seit Monaten. Ich musste mir dann im März eigentlich nur die Frage stellen: Soll ich jetzt wirklich starten oder doch in die Sicherheit einer Anstellung zurückkehren?


Was gab den Ausschlag?

Ich bin vom Potenzial der Idee überzeugt und bereit. Nur weil der Start wegen dieser unvorhersehbaren Krise nun nicht so verläuft wie ich mir das vorgestellt habe, will ich das Vorhaben nicht aufgeben.


Haben Sie am ersten Tag gleich Kurzarbeit beantragt?

Hätte ich gar nicht gekonnt (lacht). Ich bin vom Lockdown nicht direkt betroffen. Schliesslich darf ich weiterarbeiten. Aber natürlich habe ich derzeit kaum persönliche Gespräche. Und die sind ja eigentlich der Kern meiner Arbeit. Der Aufbau einer Kundenkartei ist unter diesen Umständen eine grosse Herausforderung. Aber ich mahne mich auch immer wieder dazu, meine Situation im grösseren Kontext zu sehen. Es gibt viele, die es deutlich schlimmer trifft.


Es ist nicht zu erwarten, dass sich die Situation sehr rasch beruhigt. Haben Sie Reserven?

Ohne Reserven hätte ich mich gegen den Start entschieden. Aber klar: Sie reichen nicht ewig.


Ihr Unternehmen ist auf die Beratung von Privatpersonen im Erbrecht, Eherecht und Erwachsenenschutz spezialisiert. Mit anderen Worten, es geht um die Frage: Was passiert mit meinem Vermögen, wenn ich sterbe?

Nicht nur. Das Erbrecht mit all seinen Facetten ist sicher ein wichtiger Aspekt, der einen grossen Teil meiner Beratungstätigkeit ausmacht. Aber genauso relevant sind die Unterstützung der Erben bei der Nachlassabwicklung und die Ausarbeitung eines korrekten Vorsorgeauftrags oder einer Patientenverfügung.


Was ist der Unterschied zwischen den beiden Instrumenten?

Der Vorsorgeauftrag wurde im Jahr 2013 eingeführt. Er dient dazu, die Folgen einer Urteilsunfähigkeit vorausschauend zu regeln. Das betrifft diverse Alltagssituationen. Wer so seinen Willen äussert, stellt sicher, dass die jeweilige Vertrauensperson im Ernstfall handlungsfähig bleibt. Das gilt übrigens auch für verheiratete Personen. Bei der Patientenverfügung geht es um die konkrete Frage: Welche medizinischen Massnahmen lehnt man ab und welchen stimmt man zu? Sie kommt zum Einsatz, wenn man seine Wünsche nicht mehr mitteilen kann.


Gilt das auch für künstliche Beatmung?

In Zeiten von Corona eine naheliegende Frage. Und eine, mit der ich in den vergangenen Wochen mehrmals konfrontiert war. Die Antwort ist: Ja. In einer Patientenverfügung kann sehr genau definiert werden, welche Eingriffe im Notfall durchgeführt werden sollen. Die häufigsten sind: Wiederbelebungsversuche, künstliche Beatmung, lebenserhaltende Massnahmen und reine Schmerzbehandlung.


Das Schweizer Erbrecht schreibt bis zu einem gewissen Teil vor, was im Todesfall mit unserem Vermögen passiert. Wieviel nützt ein Testament überhaupt?

Je nach Ausgangslage sehr viel! Denn das Erbrecht kommt dann zum Zug, wenn man selbst nichts geregelt hat. Ich mache ein Beispiel: Sie sind verheiratet und haben zwei Kinder. Nun stirbt Ihr Ehepartner unerwartet. Ohne Testament wird das Vermögen der verstorbenen Person zu je 50 Prozent auf den hinterbliebenen Ehepartner und die Kinder aufgeteilt.


Und mit Testament?

Damit können Sie über einen bedeutenden Teil Ihres Erbes frei verfügen. Nämlich über den Teil, der nicht zum Pflichtteil gehört. Ganz konkret sind es 37,5 Prozent. 25 Prozent gehen mindestens an den Ehepartner und 37,5 Prozent an die Nachkommen. Das gilt allerdings nur für diesen Fall. Je nach Konstellation variiert der freie Erbanteil von diesen 37,5 bis zu 100 Prozent. Dieser kann im Testament beispielsweise dem überlebenden Ehegatten zu dessen finanzieller Absicherung zugewiesen werden.


Wie können es denn bitte 100 Prozent sein?

Nun, wenn Sie keine pflichtteilsgeschützten Erben (Ehepartner, Kinder und Eltern) haben, so können Sie in einem Testament über Ihr gesamtes Vermögen verfügen. So können Sie verhindern, dass es unter Umständen an sehr weit entfernte Verwandte geht. Es gibt auch seltene Fälle, in denen keine erbberechtigte Person ausfindig gemacht werden kann. Ohne gültiges Testament geht dann das gesamte Vermögen an den Staat.


Der Staat also. Beim Thema Erbe reden auch die Steuern ein Wort mit. Inwiefern geht es in Ihrer Arbeit darum, dem Fiskus auszuweichen?

Die Zeit, in der das Hauptziel war, dem Steuervogt mit teils sehr kreativen Mitteln auszuweichen, ist definitiv vorbei (lacht). Aber: Auch wenn hier im Kanton St. Gallen zum Beispiel Nachkommen steuerbefreit sind, sind gerade Erbschafts- und Schenkungssteuern immer ein Thema. Je nach Szenario sind die Steuerfolgen sehr zentral – beispielsweise bei Patchworkfamilien.


Sie hätten sich als Anwalt viele Betätigungsfelder aussuchen können. Warum ausgerechnet eines, das sich um so ein ernstes Thema dreht?

Ich bevorzuge Rechtsbereiche, bei denen es «menschelet». Während meiner Tätigkeit als Legal Counsel (Rechtsberater) für eine Privatbank hier in St. Gallen bin ich damals eher zufällig in den Bereich der Nachlassplanung reingerutscht. Und habe sofort gemerkt: Diese Arbeit liegt mir. Es fällt zwar nicht allen Kunden leicht, über diese Themen zu sprechen. Aber sie alle sind spürbar erleichtert, wenn sie «ihre Anliegen geregelt haben». Hier kann ich etwas bewirken.

Zur Person

Der 44-jährige Pascal Wirth lebt in St. Gallen. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften (lic. iur.) an der HSG absolvierte er im Jahr 2005 die Anwaltsprüfung in St. Gallen. Seither war er für diverse Banken als Rechtsberater tätig – zuletzt im Bereich Nachlassplanung für eine bekannte Privatbank in St. Gallen.


Von Timo Züst

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